Irgendwo zwischen der romantischen Welt des (Kommentar-)Tauschhandels im Web 2.0, wo Content Creators und Content Consumers noch dieselbe Truppe nerdiger Personen waren und der heutigen Situation der maximal kapitalistischen „sozialen“ Netzwerke als Dauerwerbesendung straight from Brave New World, manipulativ getarnt durch erhobene Daumen und fliegende Herzen, ging für mich das Internet kaputt. Ein bisschen ging auch ich damit kaputt, denn seit langem zwickt und drückt mein digitales Zuhause nur dann nicht, wenn ich mich strecke und bücke und allen Bemühungen zufolge habe ich mich nun schlussendlich so zur Unkenntlichkeit verbogen, dass ich mich in meinem digitalen Leben kaum noch wiedererkenne.

Einer der rar gewordenen Kommentare in einem meiner selten gebliebenen Blogbeiträge hat mich diese Woche an einer Stelle getroffen, die ich gar nicht mehr kannte. Und das war die Stelle, von der aus die Glückshormone ausgeschüttet wurden, als die Blogosphäre noch der heißeste Sch* war.

Werner hat mich mit seinen Worten daran erinnert, dass das Zersplittern meiner Gesamtheit, zu der ich mich habe hinreißen lassen, in der Hoffnung, vom Algorithmus dafür weiterhin an meine Community ausgespielt zu werden oder auch neue Gesichter zu erreichen, die sich für mein verqueres Ich interessieren, meine Seele ausdünnt. Ich bespiele das meiste, das ich überhaupt noch anfasse, mittlerweile aus stoischem Pflichtgefühl für meine Nische. Doch ich funktioniere als Meta-Marionette nicht gut genug, denn ich bin nicht willens, ständig mein filterverzerrtes Gesicht in die Frontkamera zu halten und das Netzwerk mit Bewegtbildern zu füttern und zum Klicken irgendwelcher Buttons aufzufordern. Vielleicht trifft es sich gerade nicht zufällig, dass ich Judith Holofernes‘ Buch „Die Träume anderer Leute“ durch habe, das mir so nahe ging wie vielleicht noch nichts, das jemals von jemandem geschrieben wurde.

Vielleicht komme ich letzten Endes doch hierher zurück, wo sich wie ein gallisches Dorf zumindest ein paar der altbekannten Gesichter aus vielleicht ähnlichen Gründen wie ich sie nun fühle, aufhalten. Ich erinnere mich auch wieder daran, dass es nicht viel braucht. Es braucht keine 700 Herzen oder 24 Saves. Es braucht nur zwei oder drei Seelen, die lange genug lesen um mitzuschwingen.

6 Antworten zu “Zyankalitage (4): Lost in Translation”
Oh ja, mit Schönbrunn-Fotos immer wieder anders herum, kann ich auch aufwarten 😉 Die Blogosphäre ist lange nicht so arg wie die meisten Plattformen. Ein bissl muss man sich auch hier verbiegen, aber nicht allzusehr ….. Liebe Grüße um´s Eck
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Liebe Myriade, schön, dich wieder bei mir zu lesen und hallo, denn du bist mein erster Kommentar hier im neuen Zuhause ❤ ja, schönbrunn upside down könnte glaube ich mehrere lebenswerke füllen 😉 und das stimmt.. wenn ich mich umschaue gibt es hier zumindest noch die kommentare, die über den herzen zu stehen scheinen und die gleichheit derer, die content produzieren und die, die ihn konsumieren, was am ende unterm strich die chance auf ein besseres gleichgewicht gibt, so denke ich.. also mal sehen, ob ich es schaffe, neue wurzeln zu schlagen…
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Ich dachte, dass ich dich erkannt hätte und offenbar hatte ich recht 😉 Interessant, dass man jemanden erkennen kann, ohne ihn/sie persönlich zu kennen …
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Hast du 🙂 Und ja – das stimmt. Schon irgendwie fast schräg, oder? Aber irgendwie auch.. ein großes Kompliment für mich (oder auch nicht, je nachdem 😉 )
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Eigentlich weder noch, es ist ganz neutral. Ich habe dich an den Fotos erkannt, an deinem Schreibstil und an der Beschreibung deiner Eltern. Ich hatte ja de Merkmale von zwei Blogs zur Verfügung 😉 Das Kompliment ist dann, dass ich gerne bei dir lese 😉
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🙂
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