So viel kaputt / Aber so vieles nicht / Jede der Scherben / Spiegelt das Licht.
Wir sind Helden
So viel habe ich mir vorgenommen für dieses Jahr 2022. Im letzten Text schrieb ich am Ende vom nietzeianischen Verlorengehen in der Wüste und dort irre ich noch immer umher. Wie in Super Mario Land 2, irgendwo zwischen den Welten, nicht genug Sterne (Energie) um eine der Türen zu öffnen, hinter denen es weitergehen könnte.
Wer keine Entscheidungen trifft, wird sein Leben auf dem Flur verbringen.
Unbekannt
Ich habe zu viele Entscheidungen getroffen, war zu weit in eine Richtung gelaufen, die nicht meine war, habe unter Aufbringung all meiner Kraft umgedreht um nun genau auf diesem Flur zu landen, vor dem ich seit dem Ende meines Studiums vor bald 10 Jahren schon zu entkommen versuche. Doch jetzt ist es Zeit, hier zu verweilen. Mir die Türen und Fenster anzusehen, innezuhalten und keinem extrinsisch gesteuerten Plan nachzurennen.

F33.2
Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome

F43.1
Posttraumatische Belastungsstörung

Emotional instabile Persönlichkeitsakzentuierung. Kein F-Code.

F.U.C.K.

„Wer bin ich? Und wenn ja, wie viele?„, war eine der in einem gefühlt anderen Leben weit verbreiteten StudiVZ Gruppen. Bei meinem psychiatrischen Gespräch sagte ich sinngemäß etwas wie „Ja, es ist schwierig, dass ich Menschen finde, die mit beiden meiner Seiten umgehen können, weil diese Anteile so verschieden sind.“ „Naja, ich würde sagen, es sind nicht nur zwei.“

Vieles habe ich in den letzten Wochen während meiner zwei diagnostischen Gespräche mit der Psychiaterin und meiner Therapeutin gehört und gelesen, Fragmente sind hängen geblieben und arbeiten sich gerade nach und nach in meine Seele. Ohne Therapie geht es seit einer Weile nicht. Sieben Jahre kennt mich die Frau nun schon, zu der ich in den schwersten Krisen immer wieder zurückkomme. In sieben Jahren (mit teilweise mehreren Monaten Unterbrechungen und drei vermeintlichen Abschlüssen) hat sie mein innerstes besser kennengelernt als die meisten anderen Menschen, die mir auf meinem Lebensweg begegnet sind. Ich habe mit ihrer Unterstützung Medikamente genommen, die es mir ermöglicht haben, mein Leben wieder zurückzubekommen. Ich habe sie mit ihr abgesetzt und mich selbst gefunden. Ich bin zu nah an der Sonne geflogen und habe am Ende alles wieder verloren. Alles? Ich weiß es nicht. Ich fühle mich, als stünde ich wieder vor dem Nichts, ganz unten, so dumpf und leer. Habe ich wirklich nicht dazu gelernt? Ich bin verwirrt und verloren und frage mich, ob mich die offiziellen Codes zu etwas oder jemand anderem machen. Was ist normal? Und wie weit weg davon bin ich? Wie viel Nähe dazu kann ich erlangen?
When you are going through hell, keep going.
Unbekannt
Die Worte anderer Menschen sind wieder zu meinen Anhaltspunkten geworden. In mir selbst ist gerade nichts, das hält. Ich durchlaufe teilweise sämtliche Trauerphasen innerhalb eines Tages. Die Diagnose rettet und verflucht mich. Sie validiert alles, was in meinem Leben schwer war. Jedes Unverständnis, dem ich begegnet bin. Jede Angst, all die Wut, den Schmerz, die Verzweiflung. Aber sie isoliert mich – noch mehr. Wie erzählt man das? Wie macht man das begreiflich? Ich habe mich so sehr zurückgezogen, dass ich kaum noch weiß, wie das geht, das darüber reden. Es stellt für mich alles in Frage und ich fühle, dass ich mein Selbstbild unter diesem Gesichtspunkt völlig neu bewerten muss. Vielleicht nach anderen Stärken suchen, als jenen, die sich aus ungesunden Überlebensstrategien entwickeln mussten. Oder ist es doch richtig, aus der Krücke ein Zepter zu machen?

Ganz plötzlich sitze ich auf der anderen Seite und finde mich hier nicht zurecht. Ich bin „high functional“ und ein „high performer“. Mein ganzes Sein basiert darauf, Ziele zu erreichen. Ich leiste also bin ich. Und es wäre gelogen, würde ich sagen, dass ich daraus nicht auch Genuss ziehe. Es gibt mir Kontrolle über mich selbst. Es gibt mir Struktur. Es gibt mir ein Gegenüber, das ich spiegeln kann. Doch plötzlich bin ich jemand, vor dem ich mich selbst warnen würde. PTSD? Puh, unberechenbar. Und diese emotional instabile Geschichte? Was ist das? Borderline light? Unberechenbar hoch x. Lieber Finger weg. Doch vor sich selbst kann man sich nur so lange verstecken, so lange all diese Wahrnehmungen und Wahrheiten keinen Namen haben. Was also jetzt?

In der Tat habe ich momentan nicht die leiseste Ahnung wie es weitergehen wird. Oft fehlen mir sogar Kraft und Glaube an Schadensbegrenzung und ich bin geneigt, mich einfach verwundet am Schlachtfeld zurück- und mir selbst zu überlassen, bis die Chose eben vorbei ist. Doch das sind die besonders düsteren Momente. In den meisten andere mache ich irgendwie weiter. Ich arbeite. Ich gehe zur Therapie. Ich suche nach Dingen, die Serotonin ausschütten und das Perpetuum Mobile meines Lebens in Bewegung halten.