Mutmoment (8) – Every summer has its story

Als ich dieses geflügelte Wort zum ersten Mal zitierte, war aus Henry, dem Ford Focus meines damaligen Freundes, keine zwei Stunden später ein wirtschaftlicher Totalschaden geworden.

Dieses Erlebnis liegt mittlerweile schon fast ein Jahrzehnt zurück. Dieses Jahr bemühte mein unverbesserlicher optimistischer Wesenskern diesen hübschen Gedanken an dem See, wo ich ihn damals zuerst gedacht hatte, erneut. Es war Mai und der ganze Sommer lag vor uns. Es sollte ein Sommer voll Stand Up Paddle und Longboard und Eisbechern und Sonnenuntergängen am Wasser und Spontanität und bunten Spritzern auf Dachterrassen werden. Ein Sommer ohne konkrete Pläne, in dem wir all die Dinge machen wollten, die Wien im Sommer zur lebenswertesten Stadt machen. Keine Woche später lag ich zuerst mit einer gebrochenen Rippe und dann mit Corona den gesamten Juni flach. So hatte ich mir die Geschichte dieses Sommers nicht vorgestellt. Leadhorizon sprach unseren Haushalt irgendwann wieder virenfrei, doch Trägheit und Erschöpfung blieben nun endgültig meine Begleiter.

So wurde dieser Sommer kein Sommer der Heilung. Er war nicht einmal ein Sommer des Wachstums. Ganz im Gegenteil, eher war es der Sommer, auf den absoluten basalsten Kern meines Selbsts zusammenzuschrumpfen.

Es war der Sommer, um einen Schritt zurückzugehen, auf Pause zu drücken und sich einzugestehen, dass neu beginnen nicht immer nur vorwärts gehen heißt. Manchmal heißt es auch, in seine schlimmsten Muster und Gewohnheiten zu verfallen, weil man in sich selbst gerade sonst nichts hat, das hält. Manchmal heißt es, im luftleeren Raum zu schweben und nichts als Vakuum zu spüren, drückende Leere statt drückender Schwere, die einem die Luft zum Atmen und die Möglichkeit zur Bewegung nimmt. Die Lethargie wird zur Paralyse, weil sich jeder Schritt unsicher und falsch anfühlt und man vor nichts mehr Angst hat, als die angstbesetzten Parameter (Eltern) durch andere angstbesetzte Parameter (Existenzängste) zu ersetzen und sich wieder vollends fremdsteuern lassen.

Es ist erst August und doch schreibe ich schon in der Mitvergangenheit über den Sommer. Ja, noch ist er da, Ende der Woche kommt er noch einmal zurück. Aber heute war dieser eine besondere Tag, an dem noch Sommer ist, aber der Herbst sich zeigt, in all seiner melancholischen Schönheit. Mit nichts als Pia im Ohr und dem Fokus auf das Ein- und Ausatmen habe ich wieder einmal erkannt, dass der Herbst und die kühleren, bunten Tage die Zeiten sind, in denen Dinge in Bewegung kommen. Und ich spüre, dass ich in den letzten Wochen und Monaten trotz all der Zweifel an einer Stelle in mir ein Selbstvertrauen aufgebaut habe, nach dem ich vielleicht seit Jahrzehnten suche. Das Selbstvertrauen in die Selbstwirksamkeit, die nur aus mir selbst kommt. Dass ich das (vermeintliche) Sicherheitsnetz vermissen darf, dass ich aber auch so überleben werde. Dass es einen Weg für mich gibt, auch wenn ich ihn noch nicht kenne. Dass ich auch mein großes Ziel noch einmal auf den Prüfstand stellen darf. Dass ich es wieder verfolgen oder loslassen darf, je nachdem, was sich richtig anfühlt. Dass es das ist, worauf es ankommt. Dass ich meinen Weg gehen kann, darf und muss – wie auch immer er aussehen wird. Dass ich so viele Haken schlagen kann wie ich möchte. Dass ich zweifeln darf und umdrehen. Dass ich weitermachen darf, aber nicht muss. Dass Scheitern dazugehört. Dass ich noch oft fallen werde, aber dennoch am Ende immer einmal mehr wieder aufstehen – auch wenn ich daran selbst manchmal den Glauben verliere. Und dass ich irgendwo da drinnen bin und mich neu formen werde, wenn ich dazu bereit bin.

Die Geschichte dieses Sommers wird am Ende vielleicht die vom nietzscheianischen Verlorengehen in der Wüste sein, das es braucht, um vom Kamel zum Löwen und zuletzt zum Kind zu werden, das ich nie war.

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