Auf Befehl schreiben, das funktioniert in etwa so gut wie auf Befehl pinkeln. Also versuche ich die letzten Stunden meines verbleibenden „Urlaubs“ (den man dieses Jahr wirklich kaum so nennen kann) meine kreative Blase zu füllen, um doch zumindest ein paar Worttropfen aus mir herausplätschern zu lassen.

Großmächtig motiviert schrieb ich Ende letzten Jahres über mein Wort für 2022. Heilung. Der Gedanke, am Ende des Jahres wieder mehr ganz, mehr ich, mehr heil und weniger verletzt zu sein beflügelte mich. Sophie Ofühl wurde geboren und der Silberstreif am Horizont fühlte sich sichtbar an. Nun ist Halbzeit und die schreit fast nach einem Zwischenfazit, das – ich spoilere vornweg – nicht so wahnsinnig positiv ausfällt.

Ich beginne langsam (sehr langsam) zu begreifen, dass der Trauma-Shit in meinem Leben a real thing ist und mich gerade sehr sehr fest im Griff hat. So fest, dass es notwendig wurde, wieder auf Chemie zurückzugreifen, die mir dafür anderweitig das Leben nicht grade einfacher macht. Die Angst kam mit voller Wucht zurück, mit allen somatischen Begleiterscheinungen. Die SSRI halten sie jetzt im Zaum, sodass ich meinem normalen Alltag wieder für meine Verhältnisse relativ normal nachgehen kann. Doch gleichzeitig bin ich wieder in meinem Fühlen gedämpft. Nichts ist wirklich wichtig, nichts ist tiefgehend schön, das Leben fliegt belanglos an mir vorbei – und das Heilen ist so irgendwie auf Pause geschaltet, da mal wieder das Überleben im Vordergrund steht. Doch ich weiß, dass es anders für meinen Organismus gerade nicht zu bewältigen wäre, also brauche ich – mal wieder – Geduld. Dabei will ich nicht mehr geduldig sein. Ich will die Selbstwirksamkeit spüren und die Dinge in die Hand nehmen, ich will nicht mehr das Gefühl haben, machtlos zu sein und das Leben mit mir passieren lassen.
Das Leben auf mich zukommen lassen und mein Vertrauen in das Universum wiederfinden.
Sophie Ofühl
…schrieb ich in meinem Text. Tja, das Universum macht es mir grade schwer oder wir haben Kommunikationsprobleme.

Das Gift von allen Seiten ist der Zusatztitel dieses Textes. Wie schafft man es gerade, bei der gesamtgesellschaftspolitischen Lage nicht zu verzweifeln? Als würde das Gift von innen nicht reichen, kommt es nun auch von allen Seiten von außen und nimmt das bisschen vermeintliche Sicherheitsgefühl, das Mitteleuropa für mich geboten hat. Wenn ich wach bin ist es Krieg, Krankheit und Klimawandel. Wenn ich schlafe dann ist es Angst, Verfolgung und Tod. Dazwischen keine Pause, keine Zeit zu Verschnaufen, kein Raum zum Luftholen… und wieder komme ich in der Essenz des Textes zur Essenz des Lebens und vielleicht ist es da, wo mein eigenes Kriegsbeil begraben oder mein gordischer Knoten zu lösen ist.


Wie viel brauchen wir wirklich? Und was? Und wie viel wovon? Jede Nacht träume ich von denen, die mich hätten lieben sollen, jede Nacht erinnert mich an die viele Angst, die ich wegen ihnen hatte. Die Menge der Angst, die Arten der Angst, an die Angst als meinen ältesten Begleiter. In jeder Nacht und in jedem Traum geht es nur darum, unbeschadet zu überleben (wobei unbeschadet relativ ist) und um die Erleichterung, wenn ich es schaffe, lebend aus der Situation zu entkommen, was mir nicht immer gelingt. Abstand gewinnen. Aufatmen. Atmen. Dann wache ich auf und die anderen Dämonen warten auf mich. Die Erinnerung an die Nacht verblasst. Das Gefühl der Angst bleibt und lodert neu auf, getriggert von anderen. Kein Abstand. Kein Aufatmen. Kein Atmen.
