Diese Woche war schlichtweg verrückt. Die drei Tage, an denen ich arbeitete, fühlten sich eher an wie drei Wochen. Die vier Tage, die ich frei hatte, kamen gänzlich anders als gedacht. Und gleichzeitig überschlug sich das Chaos in meinem Kopf. Mit ein bisschen Ruhe fänden sich wohl mindestens drei gleichwertige Themen, die in dieser Kategorie verarbeitet werden möchten. Ich habe mich allerdings für meinen ersten Impuls entschieden und versuche zu schreiben, während das sonst so viel fauchende und knurrende Kittenfindelkind mit einer Pfote auf dem Laptop schläft:
Mauern aus Angst
Im letzten Text schrieb ich gegen Ende einen Satz, der mir als Überleitung zu heute dienen soll:
Ich bin auf der Suche nach den Momenten, in denen sich das Leben anfühlt als wäre es wirklich meines, ohne das Netz der verlogenen Sicherheit, das in Wahrheit nur das Gitter einer bunten Gummizelle ist.
Sophie Ofühl






Es gab einen Zeitpunkt in meinem Leben, an dem ich das Vertrauen in mein eigenes Urteil, in mein eigenes Bauchgefühl und in meine eigene Wahrheit verlor, weil ich so sehr verletzt wurde, dass ich das Atmen (fast) verlernt hatte. So entschied ich mich, die Vorteile des goldenen Käfigs anzunehmen und meine Rolle zu spielen, die mit der Zeit mein zweites Gesicht wurde, über das ich das erste beinahe vergessen hatte.
Mein Leben wurde flach und vermeintlich bequem und ich hielt es für das Erwachsenwerden.
I miss the mountains / I miss the highs and lows / All the climbing, all the falling / All the while the wild wind blows / Stinging you with snow / And soaking you with rain / I miss the mountains / I miss the pain
Next to Normal
singt Diana im Musical Next to Normal, als sie Packungen voll Antidepressiva die Toilette runterspült. Auch Aldous Huxley schrieb:
I want God, I want poetry, I want real danger, I want freedom, I want goodness, I want sin. ‚ ‚In fact,‘ said Mustapha Mond, ‚you’re claiming the right to be unhappy. ‚
Aldous Huxley



Und gewissermaßen stimmt das vielleicht. Im Bestreben mich vor weiterem Schmerz zu schützen hatte ich begonnen Mauern zu bauen. Ich wurde oberflächlich und genügsam. Während mein Leben nach außen hin im Grunde perfekt lief, verkümmerte mein Inneres Kind und all seine tiefen, wahren Gefühle mit ihm. Im Bestreben es zu schützen hatte ich beinahe geschafft, es zu vernichten. Mein Leben lief im Plan und ich verstand nicht, warum ich nicht glücklich war, sondern im Gegenteil, mein Körper und meine Seele mir ständig signalisierten, dass ich unglücklich war.
„Warum soll ich dann auf mein Herz hören?“ „Weil du es niemals zum Schweigen bringen kannst. Und selbst, wenn du so tust, als ob du es nicht hörst, so wird es doch immer wiederholen, was es vom Leben und von der Welt hält.“
Paulo Coelho


Dieses Zitat von Paulo Coelho, das ich im Jänner 2020 bereits im blauen Netzwerk gepostet hatte, hat mich bewegt und zeigt mir heute, dass meine Entscheidung zur Veränderung vielleicht den letzten Impuls von außen bekam, aber lange zuvor schon von innen beschlossen war. Also ging ich die ersten kleinen und dann viele große Schritte. Und immer, wenn ich denke, dass ich es jetzt geschafft habe, dass ich endlich mutig geworden bin, dass ich mich endlich nicht mehr von der Angst aufhalten lasse, renne ich mit voller Wucht wieder gegen eine meiner eigenen Mauern, eine von der ich dachte, dass sie schon längst niedergerissen worden wäre. Und dann sitze ich manchmal einfach nur da und will nicht mehr. Will nicht mehr mutig sein, will nicht mehr stark sein, will nichts als mich einsaugen lassen von dieser Angst, verborgen hinter der Maske meines high functional Ich, einsam und alleine.

Erst diese Woche sagte eine Freundin zu mir „Naja, für dich ist es ja einfacher etwas zu verändern. Du hast ja nicht so viel Angst davor.“ und ich wusste, ich würde ihr nie erklären können, wie viel Angst ich wirklich gehabt hatte und auch immer wieder habe, aber dass es für mich immer eine Frage der Alternativen war und ist und dass ich oft einfach keine Wahl hatte.

Angst maskiert sich manchmal auch als Wut oder Abfälligkeit oder manifestiert sich in Distanz. Angst hat so unendlich viele Gesichter, dass man sie oft mit sich trägt ohne zu bemerken, dass sie überhaupt da ist, weil die Abwehrmechanismen über die Jahre so perfekt ablaufen, dass sie einem kaum ins Bewusstsein dringt. Darum muss man lernen achtsam zu sein und ihre perfiden Strategien erkennen, um unterscheiden zu können, welche Stimme da wirklich aus einem spricht. Für mich ist es nun auch wieder an der Zeit, mutig zu sein, denn eine meiner vermeintlich besonders vernünftigen Stimmen hat sich in der letzten Wochen als maskierte Angst demaskiert und stellt mich wieder einmal auf die Probe.
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Jeden Sonntag möchte ich mir die Zeit nehmen für einen kleinen Beitrag. Etwas festhalten, rekapitulieren, reflektieren, das mir in dieser Woche wichtig war. Etwas, das für mich Mut erforderte.