Mutmoment (3): Colorblind

Ich könnte mit meinem geplanten Wochenprojekt kaum später dran sein. Sonntag, 20:58 und ich beginne zu schreiben. Irgendwie habe ich mir die Themenauswahl auch tatsächlich einfacher vorgestellt und bis gestern hatte ich auch etwas ganz anderes am Schirm. Aber das Jahr ist ja noch jung und man nimmt die Worte wie sie fallen und dieses fiel mir mehr oder weniger aus Zufall in den Schoß und schien dann doch zu passen. Na dann, los!

Pull me out from inside / I am ready, I am ready, I am ready, / I am taffy stuck and tongue tied / Stutter shook and uptight / Pull me out from inside / I am ready, I am ready, I am ready, / I am fine.

Counting Crows

Letzte Woche, ganz plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, verschwanden die Farben und ich war eingesperrt. Irgendwo in meinem Kopf, abgeschnitten von meiner Seele, wo alles Draußen nur gedämpft durch meine Schädeldecke zu mir durchdringen konnte. Dumpf und farblos, grau und schwammig, düster.

Ich funktionierte weiter, lächelte in jedem Meeting, ja, alles OK, bisschen stressig grade, geht schon, hakte Listenelemente ab, telefonierte, schrieb immerfort e-Mails während die Luftzufuhr immer dünner wurde und mich nur noch verdeckte Schnappatmung am Leben hielt.

  • Du bist nicht gut genug.
  • Du bist inkompetent.
  • Du bist viel zu nervös.
  • Du bist nicht erwachsen genug.
  • Du kennst dich nicht aus.
  • Du kannst das nicht.
  • Du wurdest überschätzt.
  • Du wirst alle enttäuschen.
  • Du wirst nicht gemocht.
  • Du weißt nicht was du willst.
  • Du passt nicht.
  • Du hast alle getäuscht.
  • Du wirst nicht gesehen.
  • Du siehst dich ja selbst nicht.

Die Zwiegespräche, die ich mit mir führte, waren nicht besonders freundlicher Natur. Ich war an dem Punkt angekommen, an dem ich immer früher oder später ankomme, wenn ich vor Herausforderungen stehe, deren Lösung ich in dem Moment noch nicht sehe. Und während ich sehe, wie andere Menschen offenbar das Rüstzeug haben, damit umzugehen, kippt bei mir ein Schalter und ich bin ganz plötzlich das kleine Mädchen, das so gerne lernen möchte, dieses Leben zu leben, das aber mit aller Kraft davon abgehalten wird, zu eigenständig, zu selbständig zu werden.

Und dann steht alles auf dem Prüfstand, in ständiger Oszillation zwischen dem selbst, das in mir gefangen ist und dem Außen, von dem mir so lange immer wieder gesagt wurde, dass es dort nur Schlechtes gibt und dem auch ich nichts Gutes geben kann.

Es ist der Moment, in dem ich mein Inneres beginne einzufrieren. In dem ich überlege, ob ich es verantworten kann, einfach abzutauchen. Zu verschwinden. Schlichtweg mich in Luft aufzulösen. Meist erkenne ich, dass das nicht geht, also mache ich weiter. Während draußen alles läuft als wäre nichts gewesen, wächst in mir Tag für Tag die Panik, dass alles wie ein Kartenhaus über mir zusammenstürzen wird. Und dennoch hofft die unverbesserliche Optimistin in mir, die es in irgendeiner versteckten Ecke meines Selbst gibt, dass ein kleines Wunder passiert, dass die Farben zurückkommen und die Töne wieder klar werden.

Und manchmal passiert das auch. Manchmal reicht mir jemand eine symbolische Tasse Tee, die mein unterkühltes Inneres wieder auftaut. Eine kleine Geste, die mir zeigt, dass die Glaubenssätze, die mir mein hinterlistiger, perfider Top Dog zuflüstert, nicht wahr sein müssen. Dass ich vielleicht noch keine Antwort habe, aber dass ich manches auch für eine Zeit lang mit einem Fragezeichen stehen lassen darf und dass ich doch genug bin für dieses Leben.

Jeden Sonntag möchte ich mir die Zeit nehmen für einen kleinen Beitrag. Etwas festhalten, rekapitulieren, reflektieren, das mir in dieser Woche wichtig war. Etwas, das für mich Mut erforderte.

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