Trauma talking (1): Hallo, ich bin Sophie und ich habe eine PTBS.

In einem anderen Netzwerk schrieb ich darüber, dass es mir schwer fällt, mich neuen Menschen in aller Kürze vorzustellen und dabei weder einen Seelenstriptease zu vollführen noch das Gefühl zu haben, nicht einmal ansatzweise etwas Wahres über mich zu erzählen.

Als die neue Ausbildung startete, starteten auch die Vorstellungsrunden. Die Vortragenden wollten uns kennenlernen und so ging es reihum wie auch zwei Jahre zuvor am neuen Arbeitsplatz „Hallo, ich heiße sowieso, habe diesen und jenen Beziehungsstatus, diese und jene Vorbildung, so und so viel Kinder, wohne da und dort und arbeite in diesem und jenem Bereich.“ Soweit, so unverfänglich. Zumindest für die anderen in dieser Gruppe, wie es schien. Ich bin halt auch die, in der sich alles gegen „Geht gut, danke.“ sträubt, das den meisten von uns fast tagtäglich abverlangt wird, wenn innerlich der Orkan des Wahnsinns tobt. Und während die x-te Person ihre Lebenseckdaten herunterratterte, wollte mein Mund eigentlich nur sagen „Hallo, ich bin Sophie und ich habe eine PTBS.“

Diesmal konnte ich das, was mir zu sagen auf der Zunge lag, zumindest benennen. Als ich das letzte Mal ständig in dieser Situation festhing, war da noch Chaos. Ich habe mich letzten Endes mit mir selbst auf einen Kompromiss geeinigt, der denjenigen, die es erspüren wollten, einen Hinweis gab, dass mein Leben nicht so geradlinig verlaufen war, ohne mich uneingeladen ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu stellen, wo ich eigentlich nicht hin wollte, schon gar nicht damit, aber „du musst immer alles erzählen“ brennt noch immer in jeder Zelle und alles andere ist Lüge. „Das ist es nicht“, beruhigt mein erwachsenes Ich mein aufgebrachtes Inneres Kind und die Kapitänin meines Uboots wäre vermutlich ein bisschen stolz auf mich.

Gerade in diesen Momenten wird mir bewusst, wie sehr mich all diese Teile meines Lebens definiert haben und im Vordergrund meiner Wahrnehmung stehen. „Ich habe den Kontakt zu meinen Eltern abgebrochen“ ist gewissermaßen tagesfüllend, mehr noch als mein Arbeitsleben, meine fünf Haustiere, meine zwei Studien oder was mich vielleicht sonst ausmachen könnte.

Warum es manchmal so wichtig für mich ist, das auch Menschen zu wissen zu lassen, die nicht zum engsten Kreis gehören, fragte die, mit der ich viele Jahre über all das gesprochen habe. Weil ich mir so sehr wünsche, dass sie sehen, wie schwer es war, da hin zu kommen, wo ich bin. Von wo aus ich los gegangen bin. Was es mich gekostet hat. Was meinen Sie?, fragt sie. Normal zu sein, sage ich. Ein normales Leben zu haben. Überlebt zu haben, sagt sie. Ja, sage ich.

6 Antworten zu “Trauma talking (1): Hallo, ich bin Sophie und ich habe eine PTBS.”

  1. Du blickst auf einen so langen und schweren Weg zurück, dass ich mir gut vorstellen kann wie wichtig es ist, dass andere Menschen um dich herum sehen und wissen, wie wichtig und alles andere als selbstverständlich es ist, dass du nun da bist wo du bist.
    Es wäre wichtig, dass auf die Frage wie es geht ein wenig ehrlicher geantwortet wird. Wäre es im kleinen normal, einen Scheißtag zuzugeben, dann würden wir wahrscheinlich auch mit den großen Themen anderer (und den eigenen) besser umgehen können.

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    • Ja, das denke ich mir auch oft. Dass diese Frage so zu einer Floskel verkommen ist finde ich fürchterlich. Zumal es mir immer das Gefühl gibt lügen zu müssen. Wobei bei Menschen die mir ein bisschen näher sind (auch Kollegen) spreche ich das auch schonmal an. Und es ist erstaunlich, wie andere reagieren, wenn man das zum Thema macht und wie dankbar auch ein Gegenüber oft ist wenn man Raum für eine ehrliche Antwort schafft.

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  2. Das geht mir auch oft so: Das Tagesfüllende, das mich vornehmlich auszumachen scheint, will einerseits ausgesprochen werden, will gewürdigt werden, denn es steckt so unglaublich viel Arbeit in dem Prozess, der einen ins Hier und Jetzt geführt hat. Die Welt soll verstehen, warum ich manchmal so müde bin, denn es liegt ein langer, steiniger Weg hinter mir und immer auch vor mir. Und zugleich möchte ich mehr sein als das, was mich vornehmlich geprägt zu haben scheint; ich bin ja auch mehr als nur meine Defizite, mein Kummer, meine Ängste, meine Einschränkungen.

    Daher, wenn du erlaubst, möchte ich nun würdigen, dass du viel Schweres getragen hast und noch trägst, dass du einen weiten Weg gegangen bist und noch weiter gehen wirst, dass du dir ein Leben schaffst, das mehr ist als Überleben; eins, in dem du dich wohlfühlen kannst.
    Ich wünsche dir weiterhin Mut und Geduld und Erfolg.

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