Es sind jetzt etwas über 13 Monate seit meinem letzten proaktiven Kontakt zu meinen Eltern. In diesen 13 Monaten habe ich sehr viele verschiedene sehr intensive Emotionen erlebt. Etwas, das seitdem irgendwie angefangen hat zu meinem Leben zu gehören sind erschütternde „Aha-Momente“, was eigentlich in meiner Familie so alles an toxischen und missbräuchlichen Dingen passiert ist.

Einer davon hat mich Anfang dieser Woche wie ein Blitz getroffen, als ich angefangen habe, A Handmaid‘s Tale weiterzuschauen. Ich weiß noch genau wie ich während der ersten Staffel 2017 erschüttert war über Gilead und den Bewusstseinsmoment, wie fragil unsere so selbstverständliche Demokratie und Lebenssituation eigentlich ist. Gleichzeitig war da noch eine andere Stimme in mir, eine, die ich nie hören wollte und der ich vor allem keine Stimme geben wollte, ein Flüstern, das in meiner Erinnerung verborgen war und das getriggert durch die Serienbilder wieder an die Oberfläche kam: das Leben als Magd in Gilead erschien mir erträglicher als der unsichtbare Käfig, in dem ich mich befand und aus dem ich keinen Ausweg sah, während alle anderen um mich herum so frei waren. „Zumindest kennt sie die Regeln, sie weiß, was zu tun ist.“, dachte ich.

Wie erdrückend ich mein Leben zu dem Zeitpunkt wohl gefunden habe erschreckt mich rückblickend massiv. Wie erdrückend ich mein Leben wohl gefunden habe – und gleichzeitig gedacht habe, dass ich glücklich wäre. Denn ich weiß noch gut, dass 2017 für mich das Jahr war, in dem ich mich von vielen am freisten und leichtesten gefühlt habe. Doch in welchem Rahmen sich das wirklich bewegt hat, sehe ich erst jetzt. Wie klein die Angst das Vertrauen in meine Selbstwirksamkeit gemacht hat, wie absolut nicht existent der Glaube daran war, dass ich mein eigenes Leben, meine eigene Entscheidungen und meinen eigenen Weg verdient habe. So klein und so nicht existent, dass mir das eigene Zimmer, in dem Desfred lag und nichts zu tun hatte außer den monatlichen Zeugungsritus mit dem Kommandanten über sich ergehen zu lassen, als ein Tausch zum besseren vorkam.

Und dann sitze ich mich da und erinnere mich, fassungslos und beschämt gegenüber all denen, die in Regimen und Familien leben, deren Gitterstäbe aus Holz und Strom und Metall sind. Und ich erinnere mich daran, dass ich heute die nicht mehr bin, weil eine Stimme mich berührt hat und ein Mensch in mein Leben kam, der meine Drachenseele wieder befreit und mir gezeigt hat, dass mein Gefängnis nicht real und nicht unüberwindbar ist.

So sehe ich heute A Handmaid’s Tale mit anderen Augen, denn ich weiß genau, was Tante Lydias und die Kommandanten mit einem machen. Ich fühle Junes Wut und ihren Willen zu kämpfen und ich bin dankbar, dass es in meinem Leben außerhalb der vier Wände meiner Familie keine Augen, keinen Psychoterror und keine Mauern gibt, an denen man uns Mägde (Narzisstenkinder) hängen darf.

2 Antworten zu “Mutmoment (11): Sophie, die Drachenprinzessin”
Puh, das klingt wirklich schlimm. Ich erinnere mich daran, dass ich richtig entsetzt war über deine grenzenlose Begeisterung nicht nur für das Elisabeth-Musical sondern auch für die Schauspielerin. Ich schätze, das fällt auch in diese Kategorie. Aber toll, dass du Gilead nicht mehr erstrebenswert findest. Das Originalbuch ist übrigens viel besser als die Fortsetzung und die Serie
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ja, das war für die wenigsten leute verständlich – am wenigsten für mich selbst kann ich dir sagen. aber man muss die erfahrungen die den weg entlang kommen manchmal einfach akzeptieren und mitnehmen und wenn etwas emotional so stark ist, dann will einem das auch meist etwas sagen oder zeigen.
das buch gehört auch zu den vielen, die ich irgendwann noch lesen möchte.
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